Dämonische Doppelbewegung   Leave a comment

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Posted December 10, 2014 by poldaemon in Dämonische Apparatur

Dinge wie GoogleGlass: Leben und leben lassen im digitalen Ambiente – Part 2   Leave a comment

Lecture am 18. September in Frankfurt, Kunstverein Familie Montez – by gaukler (Fortsetzung von Teil 1)

Sinn für Herrschaft
Gehen wir mit der Diagnose einen Schritt weiter, und verfolgen die Pharmaka der Technik. Sie zielen auf die Dynamik von Leben und Regimen über Technologien.
Gewöhnlich geben wir uns pragmatisch zu anstehenden Projekten, rezipieren aber bloß Ausschnitte des Geschehens, nehmen nur lokalen Druck und die Ticks von Erregung wahr, vielleicht mit einem ständigen Hauch von Angst. Heute lebt es sich unter einer pragmatischen Ideologie, die unsere unzähligen Projekte und deren kurzen Horizont feiert. Wir fahren ganz realistisch Schmalspur, aber es fehlt ein angemessener „Sinn für Herrschaft“, der über isolierte Wahrnehmungen einzelner Machteffekte oder allgemeine Stimmungen hinausreicht.
Sinn für Herrschaft meint Sinn für Resonanzen zwischen Beteiligten und Abläufen, Techniken der Lebensweisen, die sie laufend implementieren, beispielsweise in den vielen winzigen Apps der vielen winzigen Geräte. Sie fügen sich als das Spektrum „abstrakter Macht“ zusammen, mit deren schillernden Wirkungsweisen so viel Verständnisschwierigkeiten kommen.
Einige ihrer praktischen Methoden wurden bereits angerissen, weit reichende Mechanismen und Prinzipien gilt es zu ergänzen. Besonders gilt es, Sensibilität für den getriebenen Umbau, die permanente Obsoleszenz von Lebensbedingungen zu aktualisieren.
Jedoch haben wir mit diesem Sinn ein grundsätzliches Problem, gerade als einzelne im dichten Gewusel: ihn zu trainieren fehlt meist schlicht die Zeit zwischen den Projekten. Denn Sinn für Herrschaft findet sich nicht leicht auf der Strasse oder vor dem Schirm, und ausserdem gibt es noch viel Vergnüglicheres als sich diesem seltsamen Gespür zu widmen.
Um ihm für unser Panorama auf die Sprünge zu helfen, können wir die Einsichten provisorisch weiter verweben. Sie betreffen Praktiken auf verschiedenen Ebenen der smarten Projekte, besonders genau das, was obsoleszent und experimentell in ihnen, sowie das, was pharmakologisch hinter ihnen arbeitet, d. h. wie welche Probleme gelöst werden. Insbesondere betreffen sie Ressourcen, mit denen soziale Physik realisiert wird, die von Ferne die Lebensweisen moduliert.

Macht in sozialer Physik
Soziale Physik verweilt nicht einfach in den Big Data Servern, den Metadaten über Kunden und Nutzer. Sie regelt auf elektronischen wie anderen physikalischen Ebenen die Betriebe, die Märkte, die Sicherheit. Ihr Lösungen funktionieren in Algorithmen für Produktionsplanung, Bestellwesen und Lieferketten, in Risikoabschätzungen für Kredite ebenso wie für Unfälle.

Smart Living Technology-Living Zones
Smarte Ökonomie und Regierung drängen immer weiter aus den digitalen Devices heraus, beginnen imperativ zu regulieren: passende Prozesse steuern Fertigungseinheiten, beladen Containerschiffe, optimieren die Lagerhaltung, dirigieren Speditionen, und kontrollieren all ihre Bewegungen gleich mit. Ihre ausgefuchsten Berater, Programmierer und Algorithmen organisieren die Buchhaltung, erzeugen Berichte, agieren zwischen Haus und Stadt, Land und Globus. Daraus resultiert eine digitale, mechanische und soziale Physik im Großen, wer will: eine Makro-Kybernetik, die unser Verhalten regiert, und zwar mit einer allgemeinen Logistik der Lebenswelten. Sie betreibt uns genauso wie die Dinge, treibt uns an und serviert bedarfsgerechte Anlässe dafür. Obsoleszenz und Ruhelosigkeit sind in ihr strategisch eingebaut und werden regelmäßig lebensweltlich aktualisiert. Denn nicht alle leben immer smart, können es nicht oder haben gar Smartness manchmal über: die Logistik lässt deshalb immer Lücken oder hat Folgeeffekte. Sie erzeugt neue Mängel, die den Bedarf für neue Dienste und Projekte, Waren und Versionen weiter zirkulieren lässt – eben wie in einem riesigen Karussell.
Die Diagnose lässt sich weiter zuspitzen: smart versorgt und von Defekten gejagt werden wir alle zu logistischen Operatoren, werden mit neuen Möglichkeiten ausgestattet, um unsere Lebensweisen technologisch umzubauen. Und wir verlangen genau danach.

Leben als Portfolio-Ego
Kraftströme für Begehren und Intentionen von Individuen in digitalen Habitats lassen sich mit deren Portfolios beschreiben, von praktischen Ressourcen bis psychischen Fähigkeiten. Zu logistischen Operatoren oder „Portfolio-Egos“ werden wir hier auf vier Ebenen.
Zunächst zählen für Projekte und Suche nach guten Marktpositionen Hilfen aller Art: Ego hält dazu ein Portfolio. Um eigenen Raum und Identität zu stärken, stattet es gerade im Web sein Portfolio aus.
Portfolio-Ego agiert ausserdem als Ankerpunkt unserer verschiedenen digitalen Instanzen im WWW, den ausgelagerten Spuren sozialer Physik in Datenbanken. Aus Subjekten der Erzählung werden solche der Zählung. Es bestärkt sich als eigener Interpretationsrahmen mit Self-Tracking oder im Identitätsmanagement bei Facebook.
In einem weiteren Schritt physikalisiert und subjektiviert uns digitale Logistik als kollektiver „Konvergenz-Knoten“. Er betrifft Personen in ihrem Umgang mit Medien und den auswertenden Algorithmen. Jeder lässt sich aus dem digitalen Habitat heraus einzeln adressieren und verlinken, stimulieren und vermessen, rekombinieren und in Interfaces einbetten. Gamifizierung, neue Bekenntniskulturen bis zu Glückssteuerung über Partnerrating machen die Konvergenz von Subjekt und digitaler Physik greifbar. Wir erreichen damit den subjektiven Resonanzboden der Logistik und ihrer digitalen Verflechtung. Und im Konvergenz-Knoten scheint eifrig ein laplacescher Dämon zu wirken, der das letzte Türchen unserer Entscheidungen betätigt.
Es bleibt nicht bei der Konvergenz digitaler, sozialer und intentionaler Physik, denn zur globalen Logistik gehören auch die Lücken, die vielen Anstöße für Neuerungen. Am Portfolio-Ego als logistischen Operator hängt eine Minimal-Agenda sensiblen Umgangs, die „Flexibilität“ heißt. Ego soll flott auf Stimuli reagieren, hoch beweglich und volatil agieren, inklusive einer Agenda für Selbstmanagement und Inszenierung. Zwischen Portfolio und Ausgrenzung, mit Schreck und Spaß bei Versionswechseln oszillieren Narzismus und Norm der Abweichung.

Psychopolitik und Logistik der Herrschaft
Was bleibt aber an wachem Sinn dieses Subjekts, das immer mehr zu einer Art „Zwischenwesen“ in technischen Installationen wird, für erneuerten Sinn für Herrschaft? Eine drängende Frage, weil Portfolio-Ego laufend neue Versionen für seine Projekte begehrt, die gleichzeitig seine Fremdbestimmung stärken, und das Subjekt allmählich zwischen digitalen Clouds und Warenketten verschwindet. Zur Interpretation der Macht kommt noch die Sensibilität im direkten Umgang mit anderen. Psycho-physische Konvergenz formt nämlich sozialen Umgang, und wir nehmen daher die Andere oft bloß als Verhaltensmaschine wahr. Genau hier berührt die digitale Physik die übliche Logik von Marktpositionen. Wenn wir aber bedenken, dass bei Komplizenschaften umständehalber tiefere Orientierung und Halt zunehmend verschwinden, lassen sich gleichzeitig überraschende Bruchlinien in den Verhaltensmustern von Lenkungsmechanismen denken.
Digitales Habitat und dessen Logistik berühren auf der letzten, einer „Master-Ebene“ von Technologien die Herrschaftspotentiale. Vom digitalen Alltag aus sind wir jetzt bei seiner „Bewirtschaftung“ angelangt: Mit ihr resultiert eine strategische Vernetzung von Egos, Devices und Aktivitäts-Physik. Bewirtschaftung durchzieht methodisch Waren und Technik, Produktion und Konsum, Subjekt und Arbeit, und aktualisiert ihre Bedingungen immer wieder neu. Für deren Diagnose können Kategorien wie Kapital gute Hilfestellung bieten.

Agenda des kapitalistischen Karussells
Im Karussell allgemeiner Logistik von Lebensweisen kommen Strategien und Stimmungen, digitale Physik und Techno-Pharmakologie mit den Portfolio-Egos und ihren Erfahrungen zusammen. Sie lenkt uns mehrdimensional, plastisch und kombinatorisch, ihr Betrieb macht die Rede von Kapitalismus plausibel.
Die allgemeine Logistik arbeitet mit einer Agenda von Betriebsbedingungen unserer Lebensweisen und ihren Teilungen, kompatibel mit dem Portfoliokonzept der Subjekte. Sie realisiert kapitalistische Modelle und ihre Installation, mit denen wir tagein, tagaus so selbstverständlich umgehen, und die uns auf ihre Weise immer wieder neu beleben. Das Karussell dreht sich technologisch, ökonomisch und kulturell, und auf den drei Ebenen seiner digitalen Devices schichten wir laufend Probleme um: Ambivalenzen und Unruhen sozialer Welt, Irritationen und Konflikte, gar die Welt im Ganzen spiegelt sich in Releases „installierbarer Systeme“. Seine kultivierte Ruhelosigkeit und Zirkulation macht besonders in digitalen Ambientes die Zeit chronisch knapper, trägt zur Zerstörung differenzierter Aufmerksamkeit bei.
Dies verdeutlichen Positionierung und Selektion in Märkten des Webs, in Portalen, in Social Media und mit Gadgets. Mehr noch: deren vermeintlich kostenfreie Nutzung ist eher ein Schuldverhältnis, bei dem die Rückzahlung inklusive Zinsen später, indirekt, versteckt erfolgt. Die Soziale Physik der Big Data, das Schuldkonto, lässt den User mit teureren Produkten oder Leistungen, schlechteren Jobs oder Angeboten, vielleicht auch Zugangsverboten bezahlen. Was ich als Konvergenz der Verhaltensaspekte einführte, macht sich derart auf undurchsichtigen Wegen breit, erzeugt diffusen Druck und Stimmungen, deren Wirkungslinien verborgen bleiben.
Der Verbundcharakter digitalen Pharmakons gewinnt jetzt deutlichere Gestalt. Agenda und Strategien fördern durch Internet und andere Technologien alltäglich die Konvergenz von uns und technisch installierten Machtstrukturen. Dagegen setzen sich Welten ohne ernsthafte Kontrolle ab, etwa in der dritten Ebene der digitalen Infrastrukturen, den strategischen Zentralen.
Im digitalen Habitat wachsen zudem Anforderungen von Devices laufend, und damit solche an unser Leben und die Institutionen. Sie schaukeln sich hoch durch neue Sicherheitslücken, fehlende Funktionen, andere Standards, veränderte Ausbildung oder Umgebungsdesign. Gleichzeitig kann ein allgemeines Klima von Unsicherheit dahinter die Bedingung für besonders smarte Herrschaft sein.

Digitale Achsen der Macht
Die Diagnose für die ganze digitale Region kurz zusammengefasst. Gegenwärtig sind die drei wichtigsten technischen Speichen des kapitalistischen Karussells: die logistische Smartness und ihre innere Obsoleszenz, dann die Informationsprozesse des digitalen Habitats, und zum dritten die personennahen Ambiente sozialer Physik, die unterschiedlich implementiert sind.
Zum Abschluß einige Vermutungen, die den „Sinn für Herrschaft“, seine narrativen Zusammenhänge etwas beleben sollen. Sie betreffen eine technologisch-institutionelle Dämonik, die als klandestines Management des Wandels funktioniert. In ihr arbeiten unsichtbare Hände der Algorithmen und der Märkte wie ein Schicksalsmechanismus zusammen. Mit ihrer Dynamik der Macht hilft Dämonisches Involvierten auf überraschende Weise. Es steigert systematisch die Volatilität von Lebensweisen bis zu einer „kapitalistischen Erregung“, die zusammen mit Angst zu schnell in Panik kippen kann. Sie speist sich auch aus einer sozialen Physik, die Leute wie Fliegen beobachtet oder manchmal aus dem Himmel heraus erschlägt.
Unsere sozialen Potentiale kommen mit diesen technologischen Pharmaka und ihren neuen Machtensembles nicht mit. Wir sind in einem Zeitalter praktischer Desensibilisierung angelangt, und für sozialen Sinn zählt Ideologiekritik weniger als kollektive Sensibilisierung. Zum Beispiel fehlen Potentiale zur Distanzierung gegenüber digitaler Mechanismen und ihren Machtrelationen, nicht zuletzt deswegen, weil diese einfach simuliert wird. Aber Versionswechsel distanzieren weder von Macht, noch fördern sie unser Verständnis für sie.
Wieso sind für die maßgebliche Obsoleszenz dämonische Ensembles wichtig? Lebensumstände stolpern heute zwischen den Märkten aufgeregt voran, und meist möchten wir uns schnell von Schwierigkeiten absetzen. Spielentscheidend ist, dass bei pathologischen Effekten und Absetzbewegungen von Geschehen unsere Überschüsse vereinnahmt werden. Ein Beispiel der Integration von Mißbilligung und Empörung heißt „Partizipation“: sie arbeitet via Reklamation und Beschwerde statt Konflikt und Entscheidung, und im Web lässt es sich besonders fix „partizipieren“. Salopp gesagt: Politik wird als Markt und Kundenservice ausgegeben, und genau das simuliert substantielles politisches Geschehen. Was kann schneller obsoleszent werden?
Die Diagnose trifft „Neoliberalismus“ im Kern: seine immanente Unbeständigkeit, das breit gefächerte emotionale Management zwischen Marke und Job, die lustvolle Unterwerfung unter Märkte und Sicherheitserwartungen. Doch erregte Obsoleszenz kann im Tempo des Umbruchs gefährlich werden, da wir ohne viel Tiefenwissen kaum unterscheiden lernen: dann kann es aufgeregt diabolisch werden, unsimuliert, ganz real. Diabolik kommt mit allgegenwärtiger Dateninflation, vor dessen Rezeption wir einfach kapitulieren, oder zynischem Verharren vor den Folgen unseres Tuns. Sie nimmt Fahrt auf mit affektiven Ansteckungen und verantwortungslosen Kulten, die zunehmend bessere Nistplätze finden, etwa einen hyperstimulierten Dschihad oder neue Nationalismen.

Zum kapitalistischen Karussell mit bisweilen dämonischen Initiativen gehören neben dem digitalen Karussell weitere Säulen: Strategien der Finanzialisierung, Risiko- und Resilienzmanagement (Stärkung gegen Verletzlichkeit), Politik von Konkurrenz und Paramilitär, sowie die Kultur des Karnevals, der Aufruhr leicht verdaulich simuliert. An ihnen müsste der Sinn für Herrschaft weiter entwickelt werden. Sie stellen Fragen nach anderer Agenda der Lebensweisen, und letztlich ganz anderen Problemkorridoren für sie.
Das Ergebnis des Panoramas bleibt notgedrungen offen: Helfen vielleicht Konzepte der Kunst, unsere Sensibilitäten für Macht zu aktualisieren? Gerade sie streifen doch um Grenzen sozialer Pharmakologie?
Vermutlich gilt es, dämonische Konzepte im Karussell auf viele Arten selbst in Stellung zu bringen. Wie auch immer.

Posted November 28, 2014 by poldaemon in Uncategorized

Dinge wie GoogleGlass: Leben und leben lassen im digitalen Ambiente – Part 1   Leave a comment

Lecture am 18. September in Frankfurt, Kunstverein Familie Montez – by gaukler

Natürlich setzen auch Eskimos heute auf HighTech. In den einsamen Gebieten Nordkanadas sind besonders Positionsbestimmungen nützlich. Mit GPS möchten sich Bewohner endloser Schneewüsten digital vermessen, besser zurechtfinden und schneller ans Ziel kommen. Die Satellitenapparatur im Fahrzeug hilft ihnen dabei meist, führt aber immer öfter zu einem verblüffenden Folgeeffekt. Denn statt ans gewünschte Ziel fahren die Eskimos mit den GPS Signalen fix in ihren Tod. Was ist geschehen? Die nordkanadische Landschaft unter Schnee birgt einige Gefahren, besonders schneebedeckte Wasserlöcher. In der Gegend lebende Eskimos tradierten Jahrhunderte, feine Unterschiede des Schnees mit Gefahrenhinweisen wahrzunehmen. GPS tradiert aber keine Schneewahrnehmung mehr, und die jüngeren Eskimos rollen mit ihren smarten aber blinden Geräten in den Tod.
Wir kennen ähnliche Effekte bei Autos in der Stadt, deren Fahrer andere kaum wahrnehmen. Wenn nicht aufs Handy, dann sind sie zu sehr auf den Navi fixiert, der sie durch die Stadt dirigiert, ohne die Leute in ihr zu vermerken. Sei daher vorsichtig, wenn ein Auto mit schreckhaftem Aufleuchten der Bremslichter vor dir ist: die Fahrerin ist so vertieft in den kleinen Schirm, dass sie andere nicht mehr bemerkt.
Doch digitale Hilfe bietet noch mehr. Mit besonderer Sensitivität sondieren smarte Phones oder Google Glasses unsere direkte Umgebung. Sie nützen uns als Alltagsprothesen, zum Beispiel für Kauf und Verkauf, für das nächste, auf mich prima zugeschnittene Angebot. Oder ich kann mit ihnen Dinge und Menschen um mich herum bewerten, nach wichtig und unwichtig selektieren. Gar tauche ich gleich in eine Welt des Spiels im Web ein, in dem ich und andere zugleich Spieler wie Figur sind.
Die meisten Sachen selbst aber, um noch einen Schritt weiter in die digitale Welt einzudringen, werden inzwischen intelligent. Zumindest verlauten das die Experten: Wir betreten das Zeitalter eines „Internets der Dinge“. Unsere klugen Dinge bauen die Welt um, und zwar über diejenigen Prothesen hinaus, die wir vor oder bei uns haben. Und die gescheiten Dinge reden miteinander, gelegentlich gar zu uns, über ihr Befinden, ihre Umstände und Vorhaben. Sie messen und verfolgen sich, ihre eigene Geschichte und uns gleich mit. Sie bevölkern unsere Wohnung, garnieren unser Leben und berichten, wenn etwas faul darin ist.

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Was faul ist in der Stadt und dann zu tun ist, betrifft die vierte Ebene digitaler Lebenswelt, und zwar in Gestalt von „Smart City“. Smart City zielt auf ein aufgerüstetes Sicherheitsterritorium, das unserer Leben vor Ort lenkt und bewirtschaftet. Neben vielen anderen Modulen smarter Cities sind bereits Gefahrenalgorithmen im Dienst, die Polizeikräften ala „Minority Report“ im voraus erzählen, in welchen Vierteln sie eingreifen müssen, und in welchen nicht.
Zuletzt stellen wir uns diese vier Kreise zusammen vor, clever gekoppelt: eine Art großes Karussell, das intelligent detektiert, bewertet und verfolgt, uns reguliert, bewirtschaftet und gehörig auf Trab hält. Dabei spuckt es laufend neue Gadgets, Algos und Bots, buchstäblich nette digitale Ambientes für uns aus. Die Drehungen dieses Karussells werden immer schneller und die Ansprüche entsprechend höher, so dass darauf Vergnügen und Zuwendung die einen, Mißvergnügen und Ausschluß die anderen begleitet.
Es geht im folgenden über diese Kreise und ihre Effekte hinaus um unsere Perspektiven auf diesen Wirbel und dessen systematischer Hintergrund. Die aufgezählten Räume der Prothesen und ihre Impressionen, nämlich Wahrnehmen, Spielen, Verfolgen und Bewirtschaften sowie ihr Zusammenwirken im Karussell dienen als Wegweiser für ein größeres Panorama. Sprich: aus Flaneuren mit Geräten sollen Kundschafter, Dramaturgen ihrer Performance werden.

Pharmakon des Webs
Beginnen wir mit dem technologisch gerüsteten Nahraum. Geräte prägen alltäglichen Umgang, die Art wie wir einander sehen und wahrnehmen, was wir begehren und empfinden, von der Welt und voneinander. Was wir erwarten und wo wir uns kümmern wird immer mehr durch Apparate inspiriert. Mit ihnen lässt sich feinfühlig dirigieren, was aufmerksam zu verknüpfen ist und was nicht, ja sogar wie wir uns selbst inszenieren. Die Smarten prägen in Realzeit unseren Alltag, verbinden dafür Signale und Informationen, die unser Verhalten betreffen.
Digitale Devices, ob Geräte in der Hand oder Serverfarmen draussen bilden ein neues, wenn nicht künftig das Habitat sozialen Geschehens. Dessen digitale Existenz geht in die nichtdigitale Welt über, wenn wir auf die abseitigen Remote-Anlagen blicken. Beim Blick in tiefe Datenbanken voll Terrabytes offenbart sich eine große Welt, zugleich erlösend wie bedrohlich.
Die technologisch betriebene Welt, die inzwischen unter dem Spitznamen „Anthropozän“ firmiert, geriert sich als eine Art Digital-Substanz, die unsere Schwächen kuriert, vielleicht gar luxuriert. Solch ein „Pharmakon“ spielt seit eh und je mit der Krankheit, hinter deren hoffentlich heilenden Wirkungen sich giftige verstecken, es ist eine Frage der Menge und des Maßes. Seine digitale Varianten, unsere neuen Prothesen und Ambiente messen und bewerten, instituieren und reengineeren daher ambivalent, wir genießen und erkennen mit zweischneidigen Folgen.
Der Nahraum digitaler Pharmakologie siedelt Smartphones zwischen Handschmeichler und mobilem Beichtstuhl an. Sie installiert im heutigen Anthropozän Google Glass ebenso wie das Internet der Dinge schon als Auge Gottes. Die Pharmaka des Webs koppeln ständige Observanz mit dem Begehren nach öffentlicher Selbstprüfung und legen zugehörige Bekenntnisse ihrer Gemeindemitglieder im fernen Opferstock ihrer umfassenden Logistik ab, abrufbar versteht sich. Google Glasses und ihre Verwandten fungieren jedoch als ein Auge Gottes im doppelten Sinn, eines das irritiert.

Ambivalente Erfahrungen
Irritation bringt uns zum nächsten Wegweiser für unser Panorama: Welche Erfahrungen um die vielen Effekte zwischen Handschmeichler und Opferstock, inmitten der Ruhelosigkeiten prägen uns? Vieles spricht dafür, dass im täglichen Umgang ambivalente Stimmungen zwischen den Verheißungen zunehmen, die sich nervös dem Takt der Geräte annähern. Ambivalenz und Irritation vermehren sich offenbar parallel zu immer mehr Dingen und Geschehnissen, den Wellen aus Information und Erregung, die zwischen Langeweile hier und Revolution dort hin und her schwappen. Ambivalenz erscheint vibrierend, schaukelt sich besonders bei medialer Eindringlichkeit (Immersion) auf, sei es per GoogleGlas oder als implantierter Chip.
Wir fühlen uns im digitalen Ambiente mal kreativ und vergnügt, mal prekär bis bedroht, wir produzieren während wir konsumieren. Wir vereinnahmen und werden vereinnahmt, wenn wir die anderen wegwischen und zustreicheln. Das Klima flirrt zwischen Stress und Gewohnheit, oft stärkt es wie es schwächt, und zwar gleichzeitig. Wir sind fügsam und besessen, das bereitet oft Spaß, lässt eilig nach den nächsten Apps verlangen.
Sichtbar und unsichtbar drückt eine Art „dämonischer Verfassung“ unseren Lebensformen digitale Stempel auf. Ihre Anwendung changiert zwischen Bedrohung und Versprechen auf Rettung: Wenn wir stolpern, fängt uns die elektronische Ordnung der Apparate auf, wenn wir genervt sind, hilft sie uns bei der Flucht. „Be always connected!“
Solche Erfahrung installierter Ruhelosigkeit mitten in unserer psychischen und sozialen Unruhe resultiert in fragiler Sensibilität im Umgang. Ihre Aufmerksamkeit wird seltsam flüchtig und drückt sich über andauernd mobilisierte Lebensweisen aus. Neue Empfindlichkeit spitzt sich mit der Forderung nach einem agilen Selbst zu, eine Forderung, die wir digital mit Selbsttechniken und Selbstüberwachungen fortschreiben. Wir rutschen derart in eine laufend kultivierte Unruhe.

Berechnete Erfahrungen
Ruheloses Klima und der übliche Verkehr darin geriert sich zu einem Experimentierfeld unserer mentalen, leiblichen und sozialen Fähigkeiten. Sie geht in eine Art mächtige „Sozio-Physik“ über, zugespitzt als negative Solidarität. Sozio-Physik folgt aus elektronischer Messung und Diagnose unseres Verhaltens mittels Big Data, inklusive der Versuche, es zu beeinflussen. Negative Solidarität bedeutet ein Dispositiv des Verhaltens zueinander, das passend auf konkurrente Einzelne zugeschnitten ist. Mit ihr lassen sich Zeichen auf Märkte versenden, um dort das agile, gerüstete Selbst zu stärken. Unsere vielen Zeichen sind meßbar, und neu komponierbar, bewegen sich vornehmlich auf Servern. Dabei bleibt es nicht, denn die flüchtigen, oft verwirrenden Erfahrungen damit stufen sich in weiteren Effekten zwischen uns auf, die sich wie die Brownsche Bewegung in den Maschinen spiegelt. Alle wischen, alle tasten – um den naheliegenden Fall heranzuziehen.
Die Erfahrung dieser Mechanik und ihrer Semiotik übt permanent psychischen Druck aus: Wir wollen uns etwa am Geschehen, das affektiv mit vielen elektrischen Anregungen bei uns eindringt, „beteiligen“.

Intrapassivität
Die skurrile „Intrapassivität“ bietet ein besonderes Phänomen für unseren direkten Anschluß an das digitale Habitat. Die „Interpassivität“ nach Slavoj Zizek beauftragt unsere Vergnügungen bei Bedarf an Geräte, etwa an einen permanent laufenden Fernseher, dessen Geräuschpegel uns zumindest immer ein bißchen bei Laune hält. Die Intrapassivität geht mit dem kleinen, abrufbaren Spaß noch einen Schritt weiter: Sie bezeichnet ein Vergnügen, das wir empfinden, wenn uns selbst Geräte, ihre Bildfolgen öffentlich dirigieren. Intrapassivität heißt direkt erfahrbare soziale Physik: ein großer Screen gibt uns Verhaltensdirektive, etwa für direkte Bewertung von gerade Gesehenem. Wir schwenken darauf unsere Smartphones so-oder-so und der Screen in Front zeigt die Resultate. Es vergnügt uns schlicht, wie wir als tadellose Mittler der kleinen und großen Devices funktionieren und sich dies öffentlich spiegelt.

Die aktuelle Bezeichnung „soziale Physik“ stammt aus der Technologie der Serverfarmen, die gegenwärtig unter Big Data und Data Mining Furore macht. Verhaltenshinweise werden aus unseren Transaktionen gesammelt, sei es im Web, mit Dingen um uns oder einem auf der Nase. Rund um ihre Kalkulationen zählen nicht Überzeugungen und Intentionen, sondern schlichte Korrelationen in Datenräumen. Wer Müller heißt, Zahnersatz auf eins-vier hat und gerne Artischocken kauft, sucht entweder eine Immobilie in Frankfurt über vierhundert Tausend, oder plant ein Selbstmordattentat. Wer in der falschen Gegend wohnt, der streicht die Bank den Dispo.

Irritierende Erfahrungen
Doch zwischen sozialer Physik und Intrapassivität scheinen mehr Erfahrungen aus unbekannten Territorien auf, sowohl Versprechen wie Gefahren. Hinter jeder App, jedem Bug und jedem Gadget lauert ein Mangel, eine Leerstelle, offenes Gelände. Sie gilt es zu schließen: deshalb werden wir auch zu Scouts, zu Kundschaftern nach Lebens-Lücken zwischen den Technologien. Kundschafter beteiligen sich heroisch am medialen Geschehen, ihnen wird neues versprochen, andere soziale Links, bessere Selbstdarstellungen, einfach mehr Spass.
Für derartige Erneuerungen empfinden wir kollektiven Druck. Er deutet sich gerade bei einem Phänomen an, der „strukturellen Obsoleszenz“, sich inflationär verbreitendes Veralten. Sie betrifft die enge Liaison technischer Entwicklung, der Produktzyklen in Märkten und unseren Erwartungen an sozio-kulturellen Wandel. Was geschähe denn noch ohne neue Versionen, stylishe Oberflächen, verbesserte Funktionen, die Killerapp, gar the Next Big Thing? Zumindest muß die neue Version Schwierigkeiten mit alten aufheben, überhaupt noch alles andere am Laufen halten. Ohne die Releases und Killerapps stände vermutlich eine Art Vereisung, gleichsam der Tod vor der Tür. Und er käme uns bei Prothesen wie Google Glass verdammt nah. Das Ego wird zur Versionsfrage.

Hintergrund digitaler Ambiente
Der nächste Raum digitaler HighTech bringt uns auf die Spuren von Funktionen und Releases hinter den Erfahrungen, das heißt die Mechanismen der vielen Mikromächte, ihrer Strategien und Ballungen. Sie sollen helfen, den Blick ein Stück weit aus unseren direkten Erfahrungen der Interfaces, unserer Verstrickung in die Nutzung heraus zu heben. Locker lassen sich unsere Ruhelosigkeiten in Erfahrungen und Devices mit drei Schichten der Techniken unterscheiden.
Zunächst die Ebene der User-Bindung: Sie nannte ich technologisches oder digitales „Ambiente“. Es umreisst ein „Smart Living“ rund um nette Gadgets. Ambiente betrifft den Alltag der Kommunikation mit Produkten, mit Fahrzeugen und Wohnungen, und ausserdem mit allen möglichen anderen Dingen und Diensten. Smart Living ist zentriert aufs Web, seine GUI´s und Portale, seine Social Media und die vielen anderen Apps, auf die darin erwarteten Ratings und Transaktionen, nicht zuletzt ihre atemlose Verbreitung.
Dahinter formiert sich die Front der Lieferketten, der Infrastruktur für Kommunikation und Produkte, ihre Herstellung und ihre Märkte. Nennen wir sie die „Smart Economy“, die Welt der effizienten Betriebe und Services, durch die unser Smart Life erst so schön wird, wie es digital daher kommt. Diese digitalen Infrastrukturen, kurz „Infosphäre“, betreffen Verbindungslinien der realen Welt, ihre Akteure und Fahrzeuge, die Orte und Wege für Waren und Services. Die laufende Ordnung dieser Plätze, ihrer Eigentümer und Zugriffe, kommt durch das Internet ins Lot, durch unzählige Protokolle und Interfaces, mit Myriaden Impulsen, die sondieren und steuern, und natürlich mit der Software: Sie greift ein, wenn etwas schief geht.
Zuletzt kommen wir zu den technologischen Gefechtsständen, das, was Master-Ebene, die „Smart Governance“ heißen könnte: dazu gehört die harte Physik der Bunker, der Kontrolle von Rechenzentren und Serverfarmen, der Knoten und Zitadellen von Global Cities. Sie werden gelenkt von institutionellen Stäben, von IT-zentrierten Consultants und Tech-Companies, von Anwälten und Designern, und ganz oben den CEO´s und CIO´s. Sie entwickeln Regularien für smarte Governance, etwa adaptierbare Zahlungsmodalitäten und Rechtsbedingungen, Algorithmen, Strategien und Modelle. Sie arbeiten z. B. für Risikoanalysen oder HighSpeedtrading, für Beschleunigung der Konjunktur ebenso wie für Crime Mapping.
Durchgängig spielen darin kollektive und kulturelle, ökonomische und politische Selektionen eine große Rolle. Ihre Arbeitsweisen und Kombinatoriken werden in unseren Lebensweisen immer wieder kaschiert, etwa mit Hypes und Shitstorms, Moden und Versionswechsel. Sie sind digital, sozial und besonders ruhelos.

Im Labor kontrollierter Experimente
Rund um diese Ensembles schichten sich inzwischen neue „Welten“ und Vokabulare sukzessive auf. Sie staffieren uns innen und aussen als Prothesen, Versorger und Ambientes prima aus, oder versprechen es zumindest.
Trotz der vielen Selektionen lassen sich wichtige Gemeinsamkeiten bei allen Involvierten ausmachen, seien sie sozial oder kulturell. Smart Living als greifbare technologische Ordnung führt unser Leben funktional zusammen, baut logistisch „Projekt-Milieus“ nach ökonomischen Kalkülen. Es wälzt die Lebensweisen mit ihren Mikromächten wie in einem marktgetriebenen Reengineering um. Allerdings performieren, programmieren und bestücken wir ihre Makromächte als Mikromächte selbst, sind auf den verschiedenen Layern interessiert und aktiv.
Zudem experimentieren sie mit uns, mit Projekten und Mächten variantenreich und etwas dämonisch. Obsoleszenzen und Märkte geben dafür kräftig Zunder: wir probieren wegen ihrer Zwänge unsere Ambientes, Gadgets und Äusserungen immer weiter aus. Wir involvieren uns in viele Projekte, je nach Druck und Anschub, mal als Scout, mal als Designerin oder bloß als Marktinformant. Die Ergebnisse lassen sich vielfältig verwerten, je nachdem wie sie einbinden, anregen und zugreifen, wie sie ökonomisch und digital pfiffig miteinander arbeiten.
Dieser experimentelle „Hochfrequenzhandel“ macht Leben und Ökonomie smarter, und ventiliert ohne Unterbrechung Begehren, Erfahrungen und Verständnisse. Er ist ruhelos, gibt kaum Halt und lässt wenig Atem – aber verspricht viel. Diese Art geplanter Obsoleszenz modelliert eine experimentelle Strategie, mit der sich soziale Physik der Big Data und passende Projekte immer weiter hochrüsten lassen.

Posted November 7, 2014 by poldaemon in Uncategorized

Mobilisierung in unruhigen Zeiten   Leave a comment

Nehmen wir ein aktuelles Beispiel, dessen öffentlicher Status bemerkenswert aber hinsichtlich gesellschaftlicher Reichweite oft strittig ist. Wir reden zuweilen gegen den „Finanzmarkt-Kapitalismus“ oder ignorieren meist die vielen „Finanz-Innovationen“, doch unseren Alltag durchziehen laufend Erfahrungen und Lebensweisen, die faktisch mit Finanzsystemen gemanagt werden. Wir kalkulieren ganz automatisch Portfolios, bewegen uns zwischen Kulturkosten und Versicherungsabschlüssen, Businessplänen und Ebay-Deals. Wir folgen Zielvereinbarungen und Kostensenkungen, sitzen in Profitcentern oder Audits, sehen Rankings und Castings auf allen Schirmen. Wir Reengineeren uns und das Business, unseren Konsum und unsere Sicherheit am laufenden Band, denn Kreatives für kommende Investitionen ist gefragt, und seien es die in uns selbst. Oh, lasst die Steuern fallen und die Zuschüsse steigen!

Solche Mobilisierungen und Umbauten funktionieren jedoch nicht ohne erhebliche Beeinträchtigungen hier und dort, und viele agieren auf Dämoniks Hintergrund gegen pausenlose Überwältigung und anhaltende Orientierungslosigkeit, gerne auch in Hoffnung auf Überschreitungen ihrer und Rettungen davor. Doch diese Impulse für Abkehr und Wandel, für die „Unruhen“ der Gesellschaft wirken in einem unübersichtlichen Gelände. Wir kommen uns darin oft vor wie mit ToDo´s angekettet, und werden gleichzeitig in Spiele regulierter Aufmüpfigkeit, in eine Art Karneval involviert, wir hasten durch kulturelle Geisterbahnen und auf ökonomischen Karussells.
Solche Dämonik reicht tief, tritt ruhelos in unseren Lebensweisen und Kulturen auf, in unseren Haushaltungen und politischen Inszenierungen. Wir Empören, Inszenieren, Mißbilligen, Revoltieren, Schreiben, Montieren, Verhandeln und Erfinden oft in dämonischen Milieus. Wie es affektiv oder rational gerade passt, hier und dort, für diese und jenen. Wir suchen in diesen dämonischen Gesten, ihren Milieus sogar bessere Orientierung und wehren uns mit ihnen gegen neue Gefährdungen. Aber wir pendeln bei dieser Suche inmitten unserer vielen ToDo´s oft zwischen Hyperventilation und Erschöpfung, und das unter dem Umstand, dass wir im dämonischen Karneval gerne vorne weg ins gepriesene Neuland ziehen.

Posted September 9, 2014 by poldaemon in Uncategorized

Markantes dämonisches Milieu in den 90ern: Ayn Rand, Silicon Valley und Washington Style   Leave a comment

Eine konzeptionelle Anmerkung zu “Dämonen”   Leave a comment

„Dämonen“ verweisen auf Reflexion wie Motivation im praktischen Umgang miteinander, auf die Arten und Weisen, mit Leiden und Helfen zwischen Angst und Begehren umzugehen, das heißt sie betreffen letztlich einen sozialen Grundmodus.

Generische dämonische Kraft kommt immer durch besondere Komposition von Elementen darin und ihre Wiederholung zustande. Das meint Bedingungen dafür, wie Praktiken, ihre Taktilitäten Bedrohungen behandeln, Distanzierungen versprechen, dabei Impulse, Begehren und Vergnügen mit überraschendem Geschick einbinden, Leute in Lebensweisen auf neue Weise involvieren und dauerhafte Lösungsstrategien und (Herrschafts-) Instanzen dafür installieren.

Dämonische Kraft konzentriert sich in einzelnen Daemonen, besonderen Milieus und schließlich Apparaturen.

Posted February 13, 2014 by poldaemon in Eintritt

Dämonische Gesten, Erkundungen   Leave a comment

Andre Breton’s Apartment

Posted January 19, 2014 by poldaemon in Eintritt, Gesten

Defensive, doch recht eindeutige Variation dämonischen Zaubers   Leave a comment

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum und Raum durchschreiten,

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.

(Hermann Hesse: “Stufen”)

Posted January 4, 2014 by poldaemon in Eintritt

Eine dämonische Apparatur: Gamification   Leave a comment

Unter „Interpassivität“ wurde vor Jahren die persönliche Beauftragung von kultischen Aktivitäten an Ausseninstanzen eingeführt. Sie gibt sich zunehmend technologisch, reicht aber von Klageweibern bis zu Videorekordern. Genießen externalisieren oder delegieren, und durch solch externalisierte Operationen ein bloß noch rudimentäres Genießen oder Vergnügen (durch mechanische Teilnahme am „Großen Anderen“) für sich erhalten, besser: solchen Spaß schlicht vervielfachen – diese psycho-technischen Mechanismen werden hinter Interpassivität vermutet.

Inzwischen gibt es ein Set technologischer wie sozialer Erweiterungen dieser dämonisch anmutenden Geste, das uns die Genese “dämonischer Apparatur” verdeutlichen kann. Aus der Externalisierung eines Kults wurde im letzten Jahrzehnt der interaktiven Web-Spiele eine Melange von Bindung, Motivation, Externalisierung und Vergnügen, die sich zwischen Alltag und Warenwelt, Geschäft und Sicherheit in immer neuen Varianten Geltung verschafft.

Ausgehend von Spielen und ihren Konfigurationen lassen sich mehrere Stufen von der Interpassivität in Richtung Spaß-Delegierungen unterscheiden. In Multiplayer Online Spielen bieten Firmen eine differenzierte Spielewelt an, in denen Kunde via eines „Avatars“ interagiert. Statt bloß interpassive Prozedur zu offerieren, wird darin eine variable Welt mit Akteuren gehostet, sogar ein persönlich abgestimmter und immer weiter ausbaubarer Avatar des Kunden digital versorgt, gar eine Bewertung, ein Ranking aller Aktionen dieses Avatars mitgeführt. Er wird dann eben ein Sückchen von mir. Spieler lebt mit Avatar, den Erlebnissen und den vielen kleinen Zügen in dieser Welt, ein laufendes und von der großen Spielefirma, gar vom „großen Anderen“ goutiertes Vergnügen. Eine lustige Spiel-Schnittstelle und ein lohnendes Geschäft, das auf die 100 Milliarden Dollar Jahresumsatz weltweit zuläuft.

Zu dem neuen Geschäft mit den Web-Spielen, kommt als zweites der „interpassive Avatar“, die Externalisierung oder Extension der kleinen Freuden am Spiel an Dienstleister. Damit soll der Status des Avatars-Ego eines zahlenden Spielers angehoben werden, nämlich indem ferne Arbeitskraftunternehmer in Billiglohnländern für diesen Spieler antreten, und mit ihrem Job-Spiel für den Auftraggeber anschließend vergnüglichere Aktivitäten erarbeiten, die sie dann auf höherem Spielelevel wieder selbst tätigen können. Doppelt, für Zugang wie Ersatz zahlender Spieler kann sich einerseits am Zuwachs seines erhöhten Rankings erfreuen und zudem das Spiel im weiteren mit noch größerem Vergnügen betreiben, und zwar deswegen, weil er ein weiteres Stück Welt dafür beauftragt und für das Spiel bezahlt hat.

Eine dritte Stufe erscheint gegenwärtig im Feld spassiger Technoartikel, wenn uns Institutionen aller Facon nicht schlicht Spielewaren verkaufen, sondern uns die Welt selbst, je nach Bedarf als Spiel ausstatten, damit wir mit Vergnügen an Dingen teilnehmen, zu denen wir sonst gewiß nicht so leicht zu bewegen wären. Dieses dämonische Szenario wird „Gamification“ genannt, und verbindet Elemente genannter Art auf immer neue Weisen, derzeit mit Open End. Aber das macht schließlich ihre Spannung, ihre Unruhe aus.

Ein schönes, einfaches Beispiel ist „Chok! Chok! Chok!“, eine erfolgreiche Smartphone-App in Hongkong. Das Spiel wurde bei jedem Coca Cola Werbespot im TV in Gang gesetzt, und die Spieler müssen während des Werbespots das Phone schütteln um Rabattgutscheine zu gewinnen – welch ein Spaß am chinesischen Meer!

Gamification setzt auf Variationen „operanter Konditionierung“, einfach motivierenden Schemata, die aus ungeliebten Tätigkeiten per schlichter Belohnung eine kleine vergnügliche Game-Welt bauen, in der wir gerne mal nach ihren Vorgaben ganz spielerisch performieren, sei es für das Amt und das Formular oder den Job und die Company, für die Spieler arbeitet.

Von der „Interpassivität“ sind wir jetzt zur „Intrapassivität“ gelangt, die uns per Apps, Portalen oder Social Media in einer Spielewelt Aufträge annehmen lässt, einen vom „Großen Anderen“ gewünschten Auftrag fraglos zu tätigen, mit ein bißchen Freude und immer neuen Überraschungen. Als könnte man dabei der Welt ein Stück weit entkommen.

Zusammen können Milieus besonderer Interpassivität und Intrapassivität Resonanzeffekte für die Involvierten erzeugen, die ihre Aufmerksamkeit fokussieren, eigene Welten des Vergnügens formen und solche Imaginationen triggern, die heute so gerne unter “Kreativität” verbucht werden. Damit wird der Übergang zur “dämonischen Apparatur” markiert.

Zunehmende Installationen von institutionell-technischen Varianten des kleinen Vergnügens mit den großen Bindungwirkungen, der jederzeit technologisch evozierbaren Intrapassivität, bauen Zizeks Verständnis von „Ideologie“ ein Stück weit aus. Solche Ideologie funktioniert durch modulierte Teilnahme via neuer technologischer Produkte, die Vergnügen, Handling, Ware und Kontrolle je nach Situation pfiffig, dämonisch komponieren. Aus Ideologie wird ein selbstevozierendes, wie instantan kontrollierbares Verhalten, das sich aus bloßer Teilnahme und ihrer Rezeption variantenreich reproduzieren lässt und als Resonanzboden für die darin verwendeten Rezeptionsschnipsel funktioniert.

Der Blick auf die immersiven Ko-Funktionen und Narrative dämonischer Spielewelten bringt vermutlich ebenso neue Einsichten wie überraschende Interpretationen der Filmgeschichte.

Posted December 22, 2013 by poldaemon in Dämonische Apparatur, Rund um den Karneval

Dämonisches Vergnügen   Leave a comment

Stellen wir eine Frage, um die es hier auch geht:

Wie lässt sich das System bekämpfen, ohne sein besseres Funktionieren noch zu fördern?

Posted December 19, 2013 by poldaemon in Eintritt